Das Schulsystem in Kanada

Allgemeines

Kanada ist ein föderaler Staat, und Bildung ist Provinzsache.
Das bedeutet: Es gibt kein nationales Bildungsministerium, sondern jede der 10 Provinzen und 3 Territorien organisiert ihr eigenes Schulsystem – mit eigenen Lehrplänen, Schulstrukturen, Prüfungen und Abschlusszeugnissen.
Die Bundesregierung greift nur in wenigen Bereichen ein, z. B. bei indigener Bildung, Sprachförderung oder militärischen Schulen.


Aufbau des Schulsystems

BildungsstufeAlterBeschreibung
Kindergarten / Vorschule4–5 JahreVorbereitung auf die Grundschule; nicht überall verpflichtend.
Grundschule (Elementary School)6–12 JahreKlassen 1–6 (manchmal 1–8).
Mittelschule (Middle School / Junior High)12–14 JahreKlassen 7–8 oder 7–9; nicht in allen Provinzen vorhanden.
Oberschule (High School / Secondary School)14–18 JahreKlassen 9–12 (in Québec: 7–11). Abschluss mit dem High School Diploma.

Nach der High School folgen:

  • College (Community College): praxisorientierte Ausbildung (1–3 Jahre).
  • University: akademische Ausbildung mit Bachelor-, Master- und Doktorgraden.

Unterricht und Fächer

Der Lehrplan variiert je nach Provinz, enthält aber meist:

  • Englisch oder Französisch (je nach Region)
  • Mathematik
  • Naturwissenschaften
  • Gesellschaftskunde, Geschichte, Geografie
  • Kunst, Musik, Sport
  • Wahlfächer (z. B. Sprachen, Wirtschaft, Informatik)

Schularten

  • Öffentliche Schulen: kostenlos, staatlich finanziert.
  • Private Schulen: kostenpflichtig, oft religiös oder spezialisiert.
  • Französischsprachige Schulen: in allen Provinzen möglich.
  • Indigenous Schools: mit Fokus auf indigene Sprache und Kultur.

Indigene Bildung in Kanada

Hintergrund

Kanada ist die Heimat vieler indigener Völker, zu denen die First Nations, Inuit und Métis gehören.
Über Jahrhunderte hinweg wurden ihre Kulturen durch das „Residential School System“ (Internatsschulsystem) stark unterdrückt.
Diese Schulen (bis in die 1990er-Jahre) trennten Kinder von ihren Familien und verboten indigene Sprachen und Traditionen.
Die Wahrheits- und Versöhnungskommission Kanadas (TRC) bezeichnete dies später als „kulturellen Genozid“.


Bildung heute – Wandel und Verantwortung

Seit den 1990er-Jahren wird die indigene Kontrolle über Bildung gestärkt.
Ziele sind:

  • Erhalt indigener Sprachen, Werte und Weltbilder,
  • Einbindung der Gemeinschaften in Bildungsentscheidungen,
  • Förderung kultureller Identität und Versöhnung.

Viele indigene Schulen werden heute von den Gemeinden selbst verwaltet, unterstützt durch Provinzen oder die Bundesregierung.


Strukturen der indigenen Bildung

BereichBeschreibung
VerwaltungEinige Schulen sind Teil der Provinzsysteme, andere werden direkt von First Nations Education Authorities oder indigenen Schulräten betrieben.
SprachenUnterricht in indigenen Sprachen wie Cree, Ojibwe, Inuktitut oder Dene wird gefördert; teils sind sie Hauptunterrichtssprachen.
Kulturelle InhalteLehrpläne verbinden westliches Wissen mit traditionellen Kenntnissen wie Landwissen, Jagd, Heilpflanzenkunde und Geschichte.
LehrkräfteViele Lehrkräfte stammen aus der eigenen Gemeinschaft; Schulungen fördern kulturell sensibles Lehren.

Regionale Beispiele

  • Nunavut: Unterricht in Inuktitut und Englisch; Lehrinhalte spiegeln das Leben im arktischen Raum wider.
  • Northwest Territories: Schulen mit Unterricht in mehreren indigenen Sprachen (z. B. Dene Kede Curriculum).
  • British Columbia: Zusammenarbeit mit dem First Nations Education Steering Committee (FNESC).
  • Ontario & Manitoba: eigene Indigenous Learning Frameworks fördern kulturelle Integration.

Bedeutung in der Versöhnungsarbeit

Die Truth and Reconciliation Commission (TRC) formulierte 94 Empfehlungen („Calls to Action“), viele davon betreffen Bildung:

  • Mehr Unterricht über indigene Geschichte und Kultur für alle Schüler,
  • Förderung indigener Lehrkräfte,
  • Anerkennung indigener Sprachen als kulturelles Erbe,
  • Gerechte Finanzierung indigener Schulen.

Ziel und Vision

Die indigene Bildung in Kanada verfolgt drei zentrale Ziele:

  1. Heilung und kulturelle Wiederbelebung nach dem Trauma des Residential School Systems.
  2. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung indigener Gemeinschaften über ihre Schulen.
  3. Versöhnung und Bewusstsein für die indigene Geschichte im gesamten Land.

Wichtige Institutionen & Ressourcen

NameBeschreibungLink
Indigenous Services Canada – EducationZuständig für Bildungsprogramme in indigenen Gemeinden.https://www.sac-isc.gc.ca/eng/1100100033601/1531406248822
Truth and Reconciliation Commission (TRC)Bericht zur Aufarbeitung der Residential Schools.https://nctr.ca/records/reports/
First Nations Education Steering Committee (FNESC)Bildungspolitik der First Nations in British Columbia.https://www.fnesc.ca/
IndspireOrganisation zur Förderung indigener Schüler und Studierender.https://indspire.ca/

Föderale Unterschiede zwischen den Provinzen

1. Lehrpläne und Schulstrukturen

  • Jede Provinz bestimmt Inhalte, Dauer und Aufbau der Schulbildung selbst.
    • In Ontario: High School bis Klasse 12 (Abschluss: OSSD).
    • In Québec: High School bis Klasse 11, danach CÉGEP (zweijähriges College).
    • In Alberta: High School umfasst Klassen 10–12, mit standardisierten Abschlussprüfungen.

2. Abschlüsse

  • Es gibt kein einheitliches nationales Abitur.
    • Ontario: Ontario Secondary School Diploma (OSSD)
    • British Columbia: Dogwood Diploma
    • Québec: Diplôme d’études secondaires (DES)

3. Sprachen

  • Kanada ist zweisprachig (Englisch & Französisch).
    • Québec: überwiegend Französisch.
    • New Brunswick: offiziell zweisprachig.
    • Andere Provinzen: meist Englisch, aber mit französischen Minderheitenschulen.
  • In indigenen Regionen wird Unterricht teilweise in indigenen Sprachen angeboten.

4. Finanzierung

  • Öffentliche Schulen werden provinziell und kommunal finanziert.
    Dadurch unterscheiden sich Ressourcen, Klassengrößen und Angebote je nach Region.

5. Hochschulzugang

  • Die Zugangsvoraussetzungen zu Colleges und Universitäten hängen vom jeweiligen Provinzabschluss ab.
    Universitäten erkennen die Abschlüsse gegenseitig an, aber Anforderungen können leicht variieren.

Besondere Merkmale

  • Hoher Wert auf Inklusion, Chancengleichheit und kulturelle Vielfalt.
  • Internationale Schüler sind weit verbreitet.
  • Notensystem: meist Prozent oder Buchstaben (A–F).

Zusammenfassung

BereichEinheitlich in KanadaProvinziell unterschiedlich
PflichtschulzeitJa (bis ca. 16–18 Jahre)Beginn und Dauer variieren
UnterrichtsspracheEnglisch/FranzösischAbhängig von der Region
Lehrpläne & Prüfungen
Abschlusszeugnisse
Schulverwaltung & Finanzierung

Vergleich der Provinzen und Territorien

Provinz / TerritoriumUnterrichtssprache(n)Schulstruktur (Klassen)Schulpflicht bisAbschluss / DiplomBesonderheiten
British Columbia (BC)Englisch, Französisch1–1216 JahreDogwood DiplomaFlexible Kurswahl, IB- und AP-Programme weit verbreitet
AlbertaEnglisch, Französisch1–12 (High School: 10–12)16 JahreAlberta High School DiplomaStandardisierte Abschlussprüfungen (Diploma Exams)
SaskatchewanEnglisch, Französisch1–1216 JahreGrade 12 DiplomaViel Praxisbezug, oft kleine Schulen im ländlichen Raum
ManitobaEnglisch, FranzösischK–1216 JahreHigh School DiplomaFokus auf zweisprachige Bildung (Französisch/Englisch)
OntarioEnglisch, FranzösischK–1218 JahreOntario Secondary School Diploma (OSSD)Größte Schülerzahl; Pflicht-Community-Service-Stunden (40 Std.)
QuébecFranzösisch, Englisch1–11 (+ 2 Jahre CÉGEP)16 JahreDiplôme d’études secondaires (DES)Einzigartiges CÉGEP-System zwischen Schule und Uni
New BrunswickEnglisch, Französisch (zweisprachig)K–1218 JahreHigh School DiplomaZweisprachige Schulen und Immersionsprogramme
Nova ScotiaEnglisch, FranzösischP–12 (Primary–12)16 JahreHigh School DiplomaFrühe Fremdsprachenförderung
Prince Edward Island (PEI)Englisch, Französisch1–1216 JahreHigh School DiplomaKleine Klassengrößen, enge Gemeinschaft
Newfoundland & LabradorEnglisch, FranzösischK–1216 JahreHigh School Graduation DiplomaRegionale Anpassungen wegen abgelegener Gebiete
YukonEnglisch, FranzösischK–1216 JahreYukon School Diploma (basiert auf BC-System)Lehrplan orientiert sich an British Columbia
Northwest Territories (NWT)Englisch, Französisch, indigene SprachenK–1216 JahreTerritorial High School DiplomaUnterricht oft zweisprachig oder in indigenen Sprachen
NunavutEnglisch, Inuktitut, FranzösischK–1218 JahreNunavut Secondary School DiplomaSchwerpunkt auf Inuit-Kultur und zweisprachiger Bildung

Kurzüberblick

  • Höchste Schulpflicht: Ontario (bis 18 Jahre)
  • Einzigartiges System: Québec (CÉGEP)
  • Zweisprachige Provinz: New Brunswick
  • Indigene Sprachen besonders gefördert: Nunavut, Northwest Territories, Yukon
  • Ähnlichste Lehrpläne: Yukon & British Columbia

Offizielle Bildungswebsites der Provinzen und Territorien

RegionOffizielle Bildungswebsite
British Columbiahttps://www2.gov.bc.ca/gov/content/education-training
Albertahttps://www.alberta.ca/education.aspx
Saskatchewanhttps://www.saskatchewan.ca/education
Manitobahttps://www.edu.gov.mb.ca/
Ontariohttps://www.ontario.ca/page/education-and-training
Québechttps://www.quebec.ca/education
New Brunswickhttps://www2.gnb.ca/content/gnb/en/departments/education.html
Nova Scotiahttps://novascotia.ca/education/
Prince Edward Islandhttps://www.princeedwardisland.ca/en/topic/education
Newfoundland & Labradorhttps://www.gov.nl.ca/education/
Yukonhttps://yukon.ca/en/education-and-schools
Northwest Territorieshttps://www.ece.gov.nt.ca/
Nunavuthttps://gov.nu.ca/education