Das Gesundheitssystem in Kanada (Health Care System)

1. Grundprinzip: Öffentliche, universelle Gesundheitsversorgung

Kanadas Gesundheitssystem basiert auf dem Prinzip des universellen Zugangs:
Alle kanadischen Bürger und Personen mit dauerhaftem Aufenthaltsstatus haben Zugang zu medizinisch notwendigen Gesundheitsleistungen, unabhängig von Einkommen, Beruf oder Gesundheitszustand.

Das System wird häufig als „Medicare“ bezeichnet (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen US-Programm).


2. Organisation: Föderales und provinzielles System

Kanada ist ein föderaler Staat, d.h.:

  • Die Bundesebene legt über den Canada Health Act (CHA) die Grundprinzipien fest.
  • Die Provinzen und Territorien sind verantwortlich für die konkrete Organisation, Finanzierung und Bereitstellung der Gesundheitsleistungen.

Jede Provinz hat also ihr eigenes Gesundheitssystem, z. B.:

  • Ontario Health Insurance Plan (OHIP)
  • British Columbia Medical Services Plan (MSP)
  • Régie de l’assurance maladie du Québec (RAMQ)
  • Alberta Health Care Insurance Plan (AHCIP)

3. Finanzierung des Gesundheitssystems

a) Steuerfinanziert, nicht beitragsfinanziert

Im Gegensatz zu Deutschland oder der Schweiz gibt es keine klassischen Krankenkassenbeiträge.
Das System wird überwiegend durch allgemeine Steuereinnahmen finanziert:

  • Einkommenssteuer (Bund und Provinzen)
  • Unternehmenssteuern
  • Teilweise Verbrauchssteuern

b) Provinzabhängige Zusatzabgaben

Einige Provinzen erheben zusätzliche Gesundheitsabgaben (Health Premiums).
Beispiele:

  • Ontario: „Ontario Health Premium“ – einkommensabhängige Steuer zwischen ca. 0 $ und 900 $ pro Jahr.
  • British Columbia: hatte bis 2020 monatliche Beiträge (MSP premiums), inzwischen abgeschafft.

Das heißt: Es gibt keine direkte Krankenkassenbeitragszahlung, sondern eine steuerbasierte Finanzierung über die Einkommensteuer.


4. Versicherungsabdeckung

Die staatliche Krankenversicherung deckt medizinisch notwendige Leistungen ab, insbesondere:

  • Arztbesuche (Haus- und Fachärzte)
  • Krankenhausaufenthalte
  • Chirurgische Eingriffe
  • Notfallversorgung
  • Diagnostische Tests (z. B. Labor, Röntgen)

Nicht (oder nur teilweise) abgedeckt:

  • Zahnbehandlungen (außer im Krankenhaus)
  • Augenoptik (Brillen, Kontaktlinsen)
  • Medikamente außerhalb des Krankenhauses
  • Physiotherapie, Chiropraktik, Psychotherapie

Für diese Bereiche schließen viele Kanadier private Zusatzversicherungen über den Arbeitgeber oder privat ab.


5. Krankengeld / Lohnfortzahlung bei Krankheit

Das „Krankengeld“ im deutschen Sinn existiert in Kanada in anderer Form.

a) Kurzfristige Krankheit

  • In Kanada gibt es keine gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht wie in Deutschland (z. B. 6 Wochen vom Arbeitgeber).
  • Viele Arbeitnehmer erhalten jedoch durch Arbeitsverträge oder Tarifverträge eine bezahlte Krankzeit („Paid Sick Days“).
  • In den meisten Provinzen sind mindestens 3 bis 5 bezahlte Krankheitstage pro Jahr gesetzlich vorgeschrieben (z. B. in British Columbia oder Québec).

b) Langfristige Krankheit / Arbeitsunfähigkeit

Employment Insurance Sickness Benefits (EI Sickness)

  • Bundesweite Leistung über Employment Insurance (EI).
  • Anspruch: Arbeitnehmer, die in die EI eingezahlt haben.
  • Voraussetzungen:
    • Nachweislich krank oder verletzt
    • Nicht in der Lage zu arbeiten
    • Ärztliches Attest erforderlich
  • Leistung:
    • 55 % des durchschnittlichen wöchentlichen Einkommens
    • Maximalbetrag: etwa 650 $ pro Woche
    • Dauer: bis zu 26 Wochen

Long-Term Disability (LTD)

  • Langfristige Leistungen werden häufig über private Versicherungen oder Arbeitgeberprogramme abgedeckt.
  • Höhe und Dauer hängen von der jeweiligen Police ab.
  • Typisch: 60–70 % des vorherigen Gehalts, Auszahlung bis zur Genesung oder zum Renteneintritt.

6. Vorteile und Herausforderungen

Vorteile:

  • Universeller Zugang ohne finanzielle Hürden
  • Hohe Qualität der medizinischen Versorgung
  • Keine Zuzahlungen für Arzt- oder Krankenhausleistungen

Herausforderungen:

  • Teilweise lange Wartezeiten für Facharzttermine oder Operationen
  • Eingeschränkte Abdeckung bei Medikamenten und Zahnbehandlungen
  • Unterschiede zwischen Provinzen (Leistungsumfang, Wartezeiten)

7. Zusammenfassung in Kürze

BereichKanada
FinanzierungSteuerfinanziert (Bund & Provinzen)
BeiträgeKeine klassischen Krankenkassenbeiträge
GrundabsicherungStaatlich, universell, über Provinzprogramme
ZusatzversicherungPrivat (Arbeitgeber oder individuell)
Lohnfortzahlung (kurzfristig)Gesetzlich 3–5 Tage, Rest je nach Arbeitgeber
Krankengeld (bundesweit)Employment Insurance Sickness Benefits: 55 %, max. 26 Wochen
LangzeitabsicherungPrivate Versicherungen (LTD)
LeistungsausnahmenZähne, Augen, Medikamente, Psychotherapie (meist privat)